Nichts geht über echt...
Nichts geht über echt … Im Film „Der Pianist“ spielt Oscar-Preisträger
Adrien Brody einen im Warschauer Ghetto versteckten Juden. In einer
Szene springt er über eine Mauer und verletzt sich dabei den Fuß. Um
diese Stelle gut spielen zu können, stopfte sich Brody kurzerhand einen
scharfkantigen Stein in den Schuh.
Nichts geht über echt … selbst im Schauspiel. Wir leben in einer Zeit, in
der so viel für die Fassade getan wird. Aber es wäre doch völlig daneben,
das nur den modernen Zeiten anzulasten. Aus dem Geschichtsunterricht ist
mir noch eine Karikatur bekannt, die aufzeigte, wie der Sonnenkönig
Ludwig XIV. durch geschickte Kleidung, Schuhwerk und Perücke sein
Äußeres auf beeindruckende Weise veränderte. Wirklich: Es war nicht der
gleiche Mann.
Nichts geht über echt. Echte Menschen, echter Glaube. Die starke Fassade
des Petrus bröckelt ganz schön, als er Jesus am See Genezareth nach der
Auferstehung gegenübertritt. Hast du mich lieb? Das ist doch eine einfache
Frage von Jesus. Aber so einfach ist sie nicht zu beantworten für den, der
vor der Verleugnung noch vollmundig behauptet hatte, Jesus nicht im Stich
zu lassen. „Du weißt alle Dinge.“ Das ist irgendwann das, was Petrus nach
den dramatischen Ereignissen an Karfreitag noch sagen kann. „Du blickst
hinter die Fassade. Du verstehst meine Gedanken von Ferne.“ (Ps. 139,2)
Jesus blickt hinter die Fassade und sieht ehrliche Liebe, ehrliche Reue. Den
drei Momenten des Verrates stehen nun drei Bekenntnisse gegenüber. „Du
weißt alle Dinge. Du weißt, dass ich dich liebe.“
Mich ermutigt es, keinen perfekten Glauben haben zu müssen. Wenn ich
vor Gott nicht perfekt sein muss, dann erst recht nicht vor Menschen. Das
entspannt enorm. Es gibt mir die Chance, einfach ich zu sein. Das muss ich
nicht machen, nicht produzieren, nicht erkämpfen. Ich darf ich sein. Nichts
geht über echt. Und was dann aus mir werden wird, was sich verändern
kann und soll, das bewirkt der Heilige Geist. Das Titelbild zeigt eine Taube
als Symbol des Heiligen Geistes. Stark – echt verändernd, diese sanfte
Kraft. Und so wurde aus dem Mann mit den großspurigen Worten
tatsächlich der Fels, der Weltgeschichte schrieb.
Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer Tobias Frauenlob